Stilproben

 

 
 

 

Das Rittergut war seinerzeit in die Hände des Vereins Gedächtnisstätte e.V. gelangt, einem Verein, der seither in dem herrschaftlichen Anwesen Veranstaltungen mit rechtsextremem und revisionistischem Hintergrund organisiert. Und dessen Wirken auch in der 1000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Sömmerda selbst durchaus Früchte trägt: immerhin erreichte die NPD bei den Bundestagswahlen eine über zehnprozentige Zustimmung.
Vorsitzender Richter Dirk Schwerdtfeger sparte nicht mit deutlichen Worten, um das Behördenversagen im Thüringer Liegenschaftsamt zu illustrieren.  Die Käuferin, eine dem Verein Gedächtnisstätte e.V. angehörende Heilpraktikerin aus Hessen, habe auf einer einzigen DIN-A-4 Seite ein „allgemein und nichtssagend“ gehaltenes Nutzungskonzept vorgelegt. Die derzeitigen Veranstaltungen -  bis hin zu dem eingerichteten Dokumentationszentrum -  ließen sich problemlos darunter subsumieren.
Das Land Thüringen hätte sich unschwer selbst schützen können, meinten die Richter. Es hätte „völlig simple, schnell zu bewerkstelligende Maßnahmen“ gegeben,  die den Verkauf des Rittergutes an die Käuferin verhindert hätten. Schließlich sei  bekannt, dass zwielichtige Gestalten eine „besondere Affinität zu solchen Herrensitzen“ hätten. Man hätte etwa mit Hilfe eines umfangreicheren Fragebogens die genaueren Beweggründe der Käuferin erforschen können, leistete Schwerdtfeger nachträglich Amtshilfe.
Allein mit entsprechenden Klauseln im Kaufvertrag hätte man die Nutzung durch rechtsextreme Kreise ausschließen können.  Der Kaufvertrag jedoch habe all´ diese Klauseln nicht beinhaltet. Ganz im Gegenteil:  „Einen solch´ schlanken Kaufvertrag sieht man als Jurist selten“.
Dass dem Land Thüringen sicherlich Schaden entstanden sei, diesen Vorwurf könne man den Beamten nicht ersparen, meinten die Richter. „Da hat das Land geschlafen - die zuständigen Bediensteten haben ihre Aufgaben nicht richtig wahrgenommen.“ Das Zivilrecht sei für die Wachen da und unterstütze nicht die Schlafmützigkeit, betonte der Vorsitzende Richter.
Der Rechtsbeistand der Käuferin, Rechtsanwältin Gisa Pahl aus Hamburg, assistierte: man hätte ja nur die Verfassungsschutzbehörden konsultieren müssen. Ein Vorschlag, den Vorsitzender Richter Schwerdtfeger angesichts der aktuellen Geheimdienst-Turbulenzen nicht annehmen mochte:  hätten doch die gesetzlichen Vorgaben nach Ansicht des 1. Senates durchaus ausgereicht, um den Fall zu beurteilen.
Eine endgültige Entscheidung trifft das Gericht am 16. Januar 2014.  Rechtsanwalt Sascha Leese aus Erfurt als Vertreter des Freistaates Thüringen beantragte vorsorglich, Revision beim BGH zuzulassen.

Daniela Egetemayer