Stilproben

 

 
 

 

müssen. Denn, wie Eitel G. (70) mit größter Selbstverständlichkeit erklärt: "Eine Kirche gehört in jedes Dorf. Und die muss scheen sein!" Und deswegen packte er an, der ehemalige landwirtschaftliche Helfer eine Kolchose. Krempelte mit seinem Freund, dem Tischler Alfred L. (67) die Ärmel hoch und machte seine Kirche schön.

 Eine Kirche, die etwas ganz Besonderes ist. Nicht nur, weil zuletzt nur noch drei -  überwiegend betagte -  Menschen daran werkelten. Nein, weil gerade diese Kirche dem "Dehio" die St.Petri-Kirche in Guthmannshausen eine halbe Seite wert ist, also mehr als viele andere Baudenkmäler in Mitteldeutschland. Und weil sie jetzt, am Tag der Deutschen Einheit, nach fast 20jähriger Bauzeit wiedereingeweiht wird.

 "Zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution ist die Wiedereinweihung der sanierten Barockkirche in Guthmannshausen ein Symbol für das Gelingen der deutschen Einheit", lobt der scheidende Ministerpräsident Dieter Althaus. Ein Symbol, das noch einen ganz besonderen Charakter erhält, weiß man um die Umstände der Sanierung. Weiß man von den leeren Kassen nach der Jahrtausendwende, weil etwa die "Stiftung Denkmalschutz" ihre Fördermaßnahmen mächtig zurückfuhr. Weiß man von den vielen Schulden durch die Turmsanierung und die Dachdeckung, die weitere Aktivitäten eigentlich im Keim erstickt hätten. Wäre man nicht mit Mängelwirtschaft durchaus vertraut, dort, auf dem Land, im ehemaligen Osten. Und hätte man nicht durchaus begabte und tüchtige Handwerker. Dann würde die St.Petri-Kirche heute nicht in voller Pracht erstrahlen.

Dann würden keine großen Konzerte - etwa jüngst des Liedermachers Gerhard Schöne - abgehalten werden können, dann könnte man nicht all jene Kirchenschätze wieder präsentieren, die Georg Dehio schon vor einem Jahrhundert in seinem Handbuch mitteldeutscher Kunstdenkmäler beschrieb. Das Kruzifix aus dem späten Mittelalter etwa, "mit ausgezehrtem Corpus". Ein Schmuckstück, das regelmäßig die Bewunderung westlicher Besucher hervorruft. "So etwas Schönes haben wir hier nicht mehr", heißt es dann etwa aus dem Mund eines schwäbischen Besuchers.

Der morbide Charme des Kirchenäußeren am Rande von Guthmannshausen im östlichen Landkreis Sömmerda in Thüringen lässt nicht erahnen, wie elegant und großzügig sich das Kirchenschiff präsentiert. Mit dem zarten Grau der Emporen, das nach oben hin immer lichter wird, vermittelt die Kirche nun einen edlen klassizistischen Eindruck und stellt eine harmonische Verbindung her zu den anderen Stilelementen vom Barock bis zum Jugendstil. Dass binnen kürzester Zeit die Kirchdecke mit ihren Jugendstilelementen wieder so gut herausgearbeitet wurde, nötigt Bürgermeister Bernd Pekarek allergrößten Respekt ab: "Sowas konnten eigentlich nur die Alten", bewundert er die Arbeit des seit vielen Jahren arbeitslosen Malers Ralf R. (43), dem Dritten im Bunde.

Noch unfertig zwar, erblickt man aber nun doch den Glanz früherer barocker Prachtentfaltung. 1687 eingeweiht, hatten die sälkularisierten Jahre des Sozialismus ihre traurigen Spuren hinterlassen. Besucher, die noch vor drei Jahren die Kirche besichtigten, waren fassungslos. "Das sieht ja aus wie vor dem Weltkrieg", sagte ein Pole betreten. Nur, um hinzuzufügen: "...vor dem ersten!"

Zwar war das Dach gedeckt, der Turm gebaut, doch das Kirchenschiff war immer noch eine Ruine. Die Jahre, in denen Kirchmitglieder mittels Badewannen und eines ausgefeilten Rohrleitungssystems das Regenwasser durch die Fenster ableiteten, lag zwar längst hinter ihnen. Und auch die zahlreichen Tannenbäume, durch die noch die frühere Pastorin Anne-Kristin Ibrügger an Weihnachten zum Altar schritt und die - wie sie sich kopfschüttelnd erinnert -  das Elend kaschieren sollten, waren nicht mehr nötig.

Aber als Pfarrer Alfons Dietrich 2003 die Pfarrstelle übernahm, war der Verfall innen längst nicht aufgehalten. Hausschwamm hatte sich in großen Wucherungen in Holzwände und in den Boden gefressen, von der Decke und den Wänden bröckelte der Putz. Der Altarraum war eine Ruine, Fenster von Randalierern eingeworfen, Treppen- und Emporengeländer zerstört. Da lernte er den Frührentner Alfred L. kennen, der seither bald Tag für Tag einige Stunden in der Kirche werkelt. Als gelernter Tischler restaurierte er zunächst den Kanzelaltar von 1709 mit dessen pausbäckigen Engeln und Heiligenfiguren.

Still und unspektakulär, voller Eifer und Sorgfalt. Kirchlich war er wenig gebunden, der agile Rentner. Aber die Arbeit, die er vor sich sah, die faszinierte ihn. Da konnte er seine Fähigkeiten einbringen, die schon in den Nachwendejahren keiner mehr so recht brauchen konnte. Mal hier ein paar Jahre Beschäftigung, mal da...aber so recht wollte ihn keiner mehr haben. Jetzt hatte er eine Aufgabe. Oft stand er allein in der Kirche und werkelte, später mit Eitel G. Und Ralf R., der phasenweise mitarbeitete.

Mit unerwarteter öffentlicher Hilfe - 2000 Euro an Lottomitteln -, legte man erst recht los. Über den Winter haben die drei Männer die Kirche in eine neue Farbe getaucht, ein lichtes Hellgrau, das nach oben immer heller wird und einen harmonischen Übergang zum Deckengewölbe schafft. Und jetzt? Jetzt schaut Alfred L. voller Stolz auf seine Kirche. "Da habe ich ein gutes Werk getan", sagt er und zeigt mit ausladenden Bewegungen auf das Kircheninnere, "das ist etwas, was ich später mal meinen Enkeln zeigen kann".

Die Schuldenlast drückt zwar noch immer, große Sprünge sind auch in den nächsten Jahren nicht möglich. Und doch ist der wichtigste Schritt erreicht: dass in Guthmannshausen die Kirche wieder im Dorf ist.

 

DANIELA  EGETEMAYER