Stilproben

 

 
 

 

Wo im Herzen Europas ein Stück Urwald entsteht. Inspiration für Literaten Das Raunen dieser Wälder hat den Menschen von jeher in seinen Bann gezogen. Schriftsteller wurden zu ihren schönsten Werken inspiriert. Adalbert Stifter zum Beispiel. In seinem "Hochwald" hat er ihm ein literarisches Denkmal gesetzt: dem Böhmerwald. Er hat die "blauen Abendschatten" besungen, die Felsenwand, "wie aus Luft gewoben", die "feuchten Mondesstrahlen", die sich "von Berg zu Berg spannen". Er hat den "Zaubersee" beschrieben, den - so Stifter - kein Fremder je zu Gesicht bekam. Doch das ist lange her. Der Böhmerwald hat inzwischen viel gesehen. Wie Menschen sich gegenseitig vertrieben haben. Erst die Deutschen die Tschechen, dann die Tschechen die Deutschen. Wo früher blühende Dörfer waren, wissen nur noch die Alten. Häuser sind längst abgetragen, die Spuren menschlichen Wirkens verwischt. Nur ein paar Büsche oder gelegentlich ein Obstbaum liefern noch Hinweise. Über Jahrzehnte hinweg war der Böhmerwald dann Grenzland. Niemandsland. Eingebettet im Dreiländereck Tschechien, Deutschland und Österreich, hat die Natur sich die Bergwälder, die zerklüfteten Täler und malerischen Hänge zurückerobert. Oder wie die Tschechen lyrisch sagen: Die Waldgeister kehrten zurück. Und dann kam der Fall des Eisernen Vorhangs. Die Grenzen öffneten sich und man fürchtete, dass das Idyll Risse bekommt. Die Ausweisung des Böhmerwaldes als Naturpark im Mai 1991 kam gerade recht. Mittlerweile dürfen bestimmte Gebiete von Menschen nicht mehr betreten werden. In den Hochlagen des Waldes befinden sich Hochmoore, die geschützten Tier- und Pflanzenarten einen in Europa einzigartigen Lebensraum bieten. Die Naturfreunde Internationale haben die Region nicht ohne Grund zur Landschaft des Jahres 1999/2000 erhoben. In den weniger geschützten Bereichen hat sich ein Dorado für Radler und Wanderer entwickelt. Wo früher Grenzer patrouillierten, ist heute ein dichtes Netz oft asphaltierter Wege wie geschaffen für ausgedehnte Radtouren. 400 Kilometer gut ausgeschilderte Wege durchziehen den Naturpark. Reizvoll ist die Abfahrt von Philippshütte (Filipova Hut), dem höchstgelegenen Dorf des Böhmerwaldes, entlang der noch jungen Moldau. Der Weg führt vorbei an malerischen Häusern, die sich an den Berg ducken und bergab durch eine Allee von Fichten. Ein erster Stopp empfiehlt sich in Kvilda. Das dortige Museum bietet einen ersten Einblick in die Schätze des Naturparks. 81 Prozent des Areals sind bewaldet, erfahren wir. Derzeit. Denn der Wald holt sich immer mehr Fläche zurück. Lenora ist unser erstes Ziel, das ehemalige Eleonorenhain. Glasmacher waren hier in Lohn und Brot, jahrhundertelang. Bis 1996, als die alte Fabrik, die den Sozialismus überdauert hatte, Bankrott machte. Fast der gesamte Ort war auf einen Schlag arbeitslos. Egon Urmann lässt die alten Glasmacherzeiten mit leuchtenden Augen wieder aufleben. Der 60-Jährige ist ein begabter Erzähler. Für die Touristen stellt er sich auch in die Moldau und wäscht Gold. Stolz zeigt er die Ausbeute der letzten Jahre. Lenora am Rande des Naturparks ist ein idealer Ausgangspunkt für zahlreiche Touren. Zu Stifters Lieblingsort etwa, dem Plöckensteinsee. Mit dem Rad ist die Tour anstrengend, wie wir feststellen. Doch der "Zaubersee", wie ihn Stifter genannt hat, entschädigt uns. Und die Rückfahrt entlang des Schwarzenberger Schwemmkanals lässt die Mühen des Aufstiegs vergessen. Kanutour auf der Moldau Um die malerischen "Toten Auen" zwischen Lenora und dem Lipno-Stausee zu erleben, muss man sich auf das Wasser begeben. Eine Kanutour auf der Moldau führt uns durch urwüchsiges Gehölz und leise rauschendes Schilf. Der Stausee, einst militärischer Schutzschild entlang der Grenze, hat zwei Gesichter. Am linken Ufer ein stark besuchtes Erholungsgebiet, ist die gegenüberliegende Seite nahezu menschenleer und dank ausgebauter Asphaltwege für Radler ideal. Kaum verlassen wir den Naturpark, umfängt uns die Geschichte. Krumau (Cesky Krumlov) zum Beispiel wurde von der Unesco als eines der bedeutendsten europäischen Kulturdenkmäler eingestuft. Seit zehn Jahren wird die Stadt restauriert, auf jene bedächtige und sorgfältige Art, die so landestypisch ist. Schicht für Schicht werden Fassaden freigelegt, erneuert und in den ursprünglichen Zustand versetzt. Zauberhafte Graffiti bedecken viele Hauswände. Und auch das Schloss, gerade in der Wiederherstellung begriffen, ist ein wahres Wunder an handwerklicher Kunst. SERVICE // Anreise: Mit dem Rad am besten über Regensburg-Plattling-Bayerisch-Eisenstein(Grenze). Es genügt der Personalausweis. Übernachtung: Für umgerechnet 25 bis 30 Mark pro Person bekommt man in einer guten Pension im Böhmerwald Übernachtung mit reichhaltigem Frühstück.

Auskünfte: Tipps für individuelle Touren gibt das Fremdenverkehrsamt der Tschechischen Republik, Karl-Liebknecht-Straße 34, 10178 Berlin, Tel. : 030/2 04 47 70; im Internet unter www. cccr-info. cz oder www. visitczech. cz

DANIELA EGETEMAYER